|
§ 4 Studium; Regelstudienzeit; Zeitpunkt der Prüfung
(1) Im Studium soll sich der Student in wissenschaftlicher Vertiefung exemplarisch mit den wichtigsten Gebieten des Zivilrechts, des Strafrechts, des öffentlichen Rechts, des Verfahrensrechts und einer Wahlfachgruppe, jeweils unter Einschluß der europarechtlichen Bezüge, sowie mit den rechtsphilosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen der Rechtsordnung befassen. Er soll sich dadurch mit den Methoden der Rechtswissenschaft vertraut machen und die Fähigkeit entwickeln, das Recht mit Verständnis anzuwenden.
(2) Die Lehrveranstaltungen sollen die praktische Bedeutung und Anwendung des Rechts angemessen berücksichtigen und, soweit hierfür erforderlich, Methoden und Erkenntnisse benachbarter Wissenschaften einbeziehen; der Rechtsstoff soll nach seiner systematischen, dogmatischen und praktischen Bedeutung gewichtet werden. In geeigneten Lehrveranstaltungen sollen Praktiker mitwirken.
(3) Die Regelstudienzeit beträgt acht Semester. Die Gestaltung des Studiums und der Ersten juristischen Staatsprüfung sind an dieser Studiendauer auszurichten. Im Vordergrund von Aufgabenstellung und Leistungsbewertung der Ersten juristischen Staatsprüfung stehen das systematische Verständnis der Rechtsordnung und die Fähigkeit zu methodischem Arbeiten.
(4) Die Erste juristische Staatsprüfung wird in der Regel zweimal
jährlich abgehalten.
§ 5 Studienfächer; Prüfungsfächer
(1) Die Erste juristische Staatsprüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil.
(2) Gegenstand der schriftlichen Prüfung sind die Pflichtfächer, Gegenstand der mündlichen Prüfung sind die Pflichtfächer und eine von dem Kandidaten benannte Wahlfachgruppe.
(3) Pflichtfächer sind:
1. Bürgerliches Recht:
a) Allgemeiner Teil des Strafrechts,
a) Staatsrecht (ohne Notstandsverfassungsrecht);
b) aus dem Verfassungsprozeßrecht
e) aus dem Besonderen Verwaltungsrecht:
(4) Wahlfachgruppen sind:
a) Deutsche Rechtsgeschichte und deutsches Privatrecht;
b) Römische Rechtsgeschichte und römisches Privatrecht;
c) Rechtsphilosophie, Allgemeine Staatslehre Rechtssoziologie, Juristische
Methodenlehre;
d) Kirchenrecht und Staatskirchenrecht;
2. Freiwillige Gerichtsbarkeit (Verfahrensgrundsätze, Vormundschafts-, Betreuungs-, Nachlaß- und Grundbuchsachen);
3. Zwangsvollstreckungsrecht und Insolvenzrecht;
4. Kollektives Arbeitsrecht (Koalitions-, Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht,
Mitbestimmungs- und Betriebsverfassungsrecht),
im Überblick: das arbeitsgerichtliche Verfahren;
5. Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht;
a) Wettbewerbs- und Kartellrecht;
b) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht;
7. Versicherungsvertrags- und Versicherungsaufsichtsrecht mit den Bezügen zum Versicherungsunternehmensrecht;
8. Steuerrecht: Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz-, Gewerbe-, Erbschaftsteuerrecht;
Bilanzsteuerrecht,
im Überblick: Abgabenordnung (ohne Straf- und Bußgeldvorschriften
sowie ohne Straf- und Bußgeldverfahren);
9. Sozialrecht (allgemeine Lehre, Sozialversicherung und Sozialhilfe,
Arbeitsförderung),
im Überblick: Sozialverfahren und sozialgerichtliches Verfahren;
10. Umweltrecht (allgemeine Lehren, Immissionsschutzrecht, Wasserrecht, Abfallrecht und Naturschutzrecht);
11. Wirtschaftsverwaltungsrecht (Gewerbeordnung, Handwerksordnung, Gaststättengesetz, Subventionsrecht);
12. Öffentliches Dienstrecht, Verwaltungslehre;
13. Rechtsinformatik und Computerrecht;
14. Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug;
15. Wirtschaftsstrafrecht, Umweltstrafrecht;
16. Völkerrecht, Europarecht;
17. Rechtsvergleichung, europäisches Privatrecht, Internationales Privat- und Verfahrensrecht;
18. Rechtliche Gestaltung
a) Zivilrecht: Familien- und Erbrecht;
b) Öffentliches Recht: Raumordnungs- und Landesplanungsrecht,
Baurecht, Kommunalrecht.
(5) Soweit Rechtsgebiete "im Überblick" Gegenstand des Prüfungsstoffes sind, wird die Kenntnis der Systematik und der wichtigsten Rechtsfiguren ohne Einzelwissen verlangt.
(6) Andere als die in den Absätzen 3 und 4 genannten Rechtsgebiete
dürfen im Zusammenhang mit den Pflicht- und Wahlfächern zum Gegenstand
der Prüfung gemacht werden, soweit lediglich Verständnis und
Arbeitsmethode festgestellt werden sollen und Einzelwissen nicht vorausgesetzt
wird.
§ 6 Praktische Studienzeit
(1) Der Student hat während der vorlesungsfreien Zeit des Studiums an einer praktischen Studienzeit von drei Monaten teilzunehmen. Diese kann bei allen Stellen im In- und Ausland abgeleistet werden, die geeignet sind, dem Studenten eine Anschauung von praktischer Rechtsanwendung zu vermitteln.
(2) Die praktische Studienzeit veranschaulicht die Bedeutung des Rechts im Rechtsleben und erleichtert das Verständnis für die sozialen Bedingungen und Auswirkungen des Rechts sowie für das Verhältnis von materiellem Recht und Verfahrensrecht. Sie soll in geeigneter Weise in Lehrveranstaltungen der Universität vorbereitet werden.
(3) Zu Beginn der praktischen Studienzeit ist der Student nach Maßgabe des Verpflichtungsgesetzes vom 2. März 1974 (BGBl.I. S.547) auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten, insbesondere seiner Pflicht zur Verschwiegenheit, förmlich zu verpflichten.
(4) Alle staatlichen und sonstigen öffentlichen Stellen unterstützen die Durchführung der praktischen Studienzeit.
(5) Das Nähere regelt das Justizministerium für die praktische
Studienzeit außerhalb der Rechtspflege im Einvernehmen mit dem Innenministerium.
§ 8 Voraussetzungen für die Zulassung
(1) Zur Prüfung wird auf Antrag zugelassen, wer
1. ein ordnungsgemäßes Studium der Rechtswissenschaft nachweist. Ein ordnungsgemäßes Semester liegt vor, wenn der Kandidat an einer deutschen Universität für das Fach Rechtswissenschaft eingeschrieben war und rechtswissenschaftliche Lehrveranstaltungen in angemessenem Umfang, in der Regel von mindestens acht Semesterwochenstunden, besucht hat. Von einem Rechtsstudium an einer ausländischen Universität und von einem Universitätsstudium anderer Fachrichtung können bis zu drei Semester angerechnet werden, wenn der Student hierdurch in seiner rechtswissenschaftlichen Ausbildung entsprechend gefördert wurde. In den zwei der Prüfung unmittelbar vorausgegangenen Semestern muß der Kandidat an der Universität am Prüfungsort im Fach Rechtswissenschaft eingeschrieben gewesen sein;
2. an Lehrveranstaltungen in allen Pflichtfächern und den Fächern der gewählten Wahlfachgruppen sowie an volkswirtschaftlichen Lehrveranstaltungen im Umfang von vier Semesterwochenstunden teilgenommen hat;
3. an der praktischen Studienzeit teilgenommen hat;
(2) Der Kandidat muß ferner mit Erfolg teilgenommen haben an
a) je einer Übung für Fortgeschrittene im Zivilrecht, Strafrecht
und Öffentlichen Recht,
b) einem Seminar und
c) einer Lehrveranstaltung in Rechtsgeschichte, Verfassungsgeschichte,
Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie, Methodenlehre oder Allgemeiner Staatslehre.
Die Teilnahme an einer weiteren Lehrveranstaltung in einem anderen der
unter c) genannten Gebiete kann nach Wahl des Kandidaten an die Stelle
der Teilnahme an einem Seminar treten. Der Kandidat muß in den Übungen
jeweils innerhalb eines Semesters eine Hausarbeit und eine Aufsichtsarbeit
gefertigt, in einem Seminar ein schriftlich ausgearbeitetes Referat erstattet
und in den übrigen Lehrveranstaltungen eine Hausarbeit oder eine Aufsichtsarbeit
gefertigt haben; die Leistungen müssen mindestens mit der Note ausreichend
bewertet worden sein. Die Teilnahme an einer Übung, an dem Seminar
sowie an den Lehrveranstaltungen kann durch die erfolgreiche Teilnahme
an einer vom Landesjustizprüfungsamt als gleichwertig anerkannten
Veranstaltung einer rechtswissenschaftlichen Fakultät im Ausland ersetzt
werden.
§ 9 Zulassungsantrag
(1) Die Zulassung zur Prüfung ist innerhalb der vom Landesjustizprüfungsamt gesetzten Frist unter Verwendung des amtlichen Vordrucks bei diesem zu beantragen. In dem Antrag ist die Wahlfachgruppe anzugeben; die Erklärung ist unwiderruflich. Außerdem ist dort zu versichern, daß bisher bei keinem Prüfungsamt um die Zulassung zu einer juristischen Staatsprüfung nachgesucht wurde, oder zu erklären, wann und wo dies geschehen ist.
(2) Dem Antrag sind beizufügen:
1. das zum Universitätsstudium berechtigende Zeugnis;
2. der Nachweis des ordnungsgemäßen Rechtsstudiums;
3. Nachweise über die belegten Lehrveranstaltungen;
4. der Nachweis über die Teilnahme an der praktischen Studienzeit;
5. Nachweise über die erfolgreiche Teilnahme an Übungen und
sonstigen Lehrveranstaltungen;
6. ein eigenhändig geschriebener und unterschriebener, nicht tabellarischer
Lebenslauf.
(3) Zeugnisse und Bescheinigungen sind in Urschrift vorzulegen. Falls
einzelne Urkunden nicht vorgelegt werden können, kann das Landesjustizprüfungsamt
gestatten, daß der Nachweis ihres Inhalts auf andere Weise erbracht
wird.
§ 22 Wiederholung der Prüfung
(1) Der Kandidat, der die Prüfung nicht bestanden hat, kann sie einmal wiederholen. Bis zur Wiederholungsprüfung ist das Studium fortzusetzen. Das Landesjustizprüfungsamt kann als Zulassungsvoraussetzung für die Wiederholungsprüfung die erfolgreiche Teilnahme an Übungen während des Ergänzungsstudiums vorschreiben. Der Prüfungsausschuß, der den Kandidaten mündlich geprüft hat, kann entsprechende Empfehlungen aussprechen.
(2) Die Zulassung ist ausgeschlossen, wenn der Kandidat die Zulassungsvoraussetzungen nach Absatz 1 Satz 3 nicht erfüllt oder bei einem anderen Prüfungsamt die Prüfung endgültig nicht bestanden hat.
(3) Ein Wechsel der Wahlfachgruppe für die Wiederholungsprüfung ist ausgeschlossen.
(4) Bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes kann einem Kandidaten
gestattet werden, die Wiederholungsprüfung an einem anderen Prüfungsort
oder bei einem anderen Prüfungsamt abzulegen. Einem Kandidaten, der
bei einem anderen Prüfungsamt einmal ohne Erfolg an der Prüfung
teilgenommen hat, kann die Wiederholungsprüfung in Baden-Württemberg
gestattet werden, wenn ein hinreichender Grund den Wechsel rechtfertigt
und das andere Prüfungsamt dem Wechsel zustimmt.
§ 22a Freiversuch
(1) Nimmt ein Kandidat nach ununterbrochenem rechtswissenschaftlichem Studium spätestens an der am Ende des achten Fachsemesters beginnenden Prüfung teil und besteht er die Prüfung nicht, so gilt diese als nicht unternommen (Freiversuch). Eine mehrrnalige Inanspruchnahme dieser Regelung ist ausgeschlossen.
(2) Bei der Berechnung der Semesterzahl nach Absatz 1 bleiben unberücksichtigt und gelten nicht als Unterbrechung des Studiums:
1. Fachsemester, in denen der Kandidat wegen längerer schwerer Krankheit oder aus einem anderen zwingenden Grund am Studium gehindert und beurlaubt war; im Falle einer Erkrankung ist diese grundsätzlich durch ein unverzüglich einzuholendes amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen, das die für die Beurteilung der Studienunfähigkeit nötigen medizinischen Befundtatsachen enthält;
2. bis zu drei Semester eines Auslandsstudiums, wenn der Kandidat
- an einer ausländischen Universität für das Fach Rechtswissenschaft
eingeschrieben war,
- in angemessenem Umfang, in der Regel von mindestens acht Semesterwochenstunden,
rechtswissenschaftliche Lehrveranstaltungen im ausländischen Recht
besucht hat,
- je Semester mindestens einen Leistungsnachweis im ausländischen
Recht erworben hat und
- an der inländischen Universität zum Zwecke des Auslandsstudiums
beurlaubt war;
3. bis zu zwei Fachsemester als angemessener Ausgleich für Zeiten, in denen der Kandidat als gewähltes Mitglied in gesetzlich vorgesehenen Gremien oder satzungsmäßigen Organen der Hochschule tätig war.
Insgesamt können nicht mehr als vier Semester unberücksichtigt
bleiben.
§ 22b Notenverbesserung
(1) Wer die Prüfung bei erstmaliger Teilnahme in Baden-Württemberg bestanden hat, kann diese zur Verbesserung der Note spätestens in der übernächsten Prüfung einmal wiederholen, sofern zu Beginn der schriftlichen Prüfung der Vorbereitungsdienst noch nicht aufgenommen wurde. Wird in der Wiederholungsprüfung eine höhere Endpunktzahl erreicht, so erteilt das Landesjustizprüfungsamt ein Zeugnis.
(2) Wer zur Verbesserung der Note zur Prüfung zugelassen ist, kann bis zum Beginn der mündlichen Prüfung auf die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens verzichten. Eine Verbesserung der Note gilt dann als nicht erreicht. Das Nichterscheinen zur Bearbeitung einer oder mehrerer Aufsichtsarbeiten oder zur mündlichen Prüfung gilt als Verzicht auf die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens, sofern nicht binnen drei Tagen gegenüber dem Landesjustizprüfungsamt schriftlich etwas anderes erklärt wird.
(3) § 22 Abs. 3 gilt entsprechend.
§ 49 Übergangsvorschrift
(7) Die Durchführung der Ersten juristischen Staatsprüfung
Frühjahr 1997 und der Zweiten juristischen Staatsprüfung Frühjahr
1997 sowie die besonderen Voraussetzungen der Wiederholungsprüfungen
von Kandidaten, die die Prüfung bis zu diesem Termin nicht bestanden
oder bestanden haben, richten sich nach bisherigem Recht (Verordnung in
der Fassung vom 7. Mai 1993, GBl. S. 3l4, geändert durch Artikel 8
des Gesetzes vom 12. Dezember 1994, GBl. S. 673). Für die Zulassung
und Durchführung der Ersten juristischen Staatsprüfung bis einschließlich
Frühjahr 1998 gelten die §§ 5 und 8 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4
in der bisherigen Fassung. Für die Durchführung der Zweiten juristischen
Staatsprüfung bis einschließlich Herbst 1998 gilt § 40
in der bisherigen Fassung.